Beginenführung in Nürtingen

25.04.2013 - Frau Karin Weiss, unsere Beginenführerin, hatte sich als mittelalterliche Begine kostümiert. Zu dem Begriff „Begine“ erklärte sie: im 12. Jahrhundert wurden Frauen bereits mit 12 Jahren verheiratet oder in ein Kloster gebracht. Die Männer wurden nicht alt, weil sie oft im Kampf ihr Leben lassen mussten, oder aber mit üblen Gelagen ihr Leben verkürzten. Die Frauen waren gezwungen, sich und ihre Kinder zu ernähren.

Sie bildeten Gemeinschaften, nannten sich Beginen und verhüllten ihre Körper – es durfte keine Haut und kein Haar sichtbar sein. Ihr Geld verdienten sie sich mit Webereien, Kerzen ziehen, Seifen fertigen, Klöppelarbeiten und anderen Handarbeiten. Es gelang ihnen nicht nur ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern sie waren so erfolgreich, dass die großen Webereien sich dagegen wehrten. 1311 wurden sie verboten, nur weil sie zu mächtig waren.

In Holland gibt es heute noch Beginenhöfe, die besichtig werden können.

In der Hundsgasse erfahren wir, dass hier eigentlich die Mönchsgasse ist. Nur das alte Schild erinnert daran, dass hier einst der Zwinger des Herzogs war. - Die Häuser hier stehen auf einem Teil der alten Stadtmauer.

Unsere Führerin zeigte auf ein gegenüberliegendes Fachwerkhaus, den Kroaten Hof. Ottilie Wildermuth (1817-1877) hat ihre Geschichte vom Kroaten-Ähne darauf bezogen.

Die Kroaten haben in NT übel gehaust. Bei einem Aufenthalt hatte der Hauptmann das Töchterlein des Bürgermeisters entführt. Als er erkrankte, pflegte die Bürgermeistertochter ihn mit Hilfe der Bibel gesund. Danach brachte er sie wieder nach Hause zurück, wo sie heirateten. Ottilie Wildermuth ist eine Nachkommin.

Wir bleiben vor dem Beginenhaus „Klösterle“ stehen, das 1474 erbaut wurde. Es war für arme Leute bestimmt, zu erkennen an den gebogenen Balken. Heute ist in diesem Haus ein Studentenwohnheim eingerichtet.

Die Vorsitzenden der Beginenhäuser im Mittelalter nannten sich Magistrae. Sie wurden oft als Ketzerinnen verfolgt. Wenn sie Glück hatten, konnten sie sich in ein Kloster retten.

Wir gehen zu einem prächtigen Fachwerkhaus, dem Salemer Hof. Dieser Pfleghof hat gerade Balken, war also für die Reichen bestimmt. Hier wurde der „Zehnte“ abgegeben, daher die stattliche Größe. Die Beginen dieses Pfleghofes haben Kranke und Alte versorgt, sie waren sehr beliebt. Die Mönche, die nur den ganzen Tag beteten waren nicht beliebt. Sie haben im 17. Jahrhundert Nürtingen verlassen.

An der Mauer des Nürtinger Schlosses erinnert ein Schild an die Herzogin Ursula von Württemberg, die von den Kroaten misshandelt wurde. Henriette von Mömpelgard hatte hier im Nürtinger Schloss ihren Witwensitz. In den umliegenden Hofgärten wurden Lebensmittel zur Selbstversorgung angepflanzt.

Eine Geschichte erzählt von Elisabeth von Thüringen, die mit Ludwig verheiratet war. Sie hat sich sehr um die Armen bemüht und sie mit Brot versorgt. Darüber ärgerte sich der Bruder ihres Mannes, Heinrich. Als Ludwig auf Kreuzzug war, hat Heinrich ihr verboten den Leuten Brot zu bringen. Sie tat es trotzdem. Als Heinrich ihr im Zorn das Tuch über ihrem Brot wegriss, lagen im Korb lauter rote Rosen – das Rosenwunder genannt. Nach Ludwigs Tod enterbte sie ihr Schwager Heinrich. Der Kaiser verhalf ihr wieder zu ihrem Recht. So konnte sie weiterhin den Armen dienen.

Wir gehen wieder den Weg nach oben und kommen zum Schloss-Keller, gegenüber liegt das Hölderlinhaus. Im nächsten Haus war die Mädchenschule. Dort wurde aber vorwiegend Handarbeiten gelehrt, denn Mädchen brauchten nicht lesen lernen. Durch die fortgeschrittene Lehre im Weben und Klöppeln gab es viele Fachkräfte. Deshalb siedelten sich immer mehr Textilfabriken in Nürtingen an, die sich bis 1960 halten konnten.

Im Nürtinger Spital wurden Witwen und Alte versorgt. Getrunken wurde damals viel Wein, sodass diese Häuser erstaunlich große Weinkeller besitzen.

Vor dem Haus des früheren Stadtschreibers erzählt uns Frau Weiss die Geschichte eines Mädchens, das im 18. Jahrhundert überfallen und schwanger wurde. Im Briefwechsel zwischen Schultes und Stadtschreiber bittet letzterer den Schultes nicht zu streng zu sein. – In einem anderen Brief des Mädchens steht, dass sie doch nur mit ihm Verkehr hatte. Zum Glück oder Unglück starb das Mädchen bei der Geburt ihres Kindes.

Zum Abschluss zeigt uns Frau Weiss in der evangelischen Stadtkirche ein Bild mit 2 Beginen. Zum Erstaunen aller ist unter den heiligen Beginen ein kleiner grüner Teufel sichtbar.

Zur Kirche sagt uns Frau Weiss, dass 2000 ein Brand die Inneneinrichtung verwüstete. Sie wurde mühselig von Hand renoviert. Ein kleiner schwarzer Fleck zeigt die verheerenden Schäden. Die Goll-Orgel, Engel aus Holz und andere Altertümer blieben verschont.